Wilder als ein Traum by Teresa Medeiros

Wilder als ein Traum by Teresa Medeiros

Autor:Teresa Medeiros
Die sprache: de
Format: mobi
Herausgeber: PeP eBooks
veröffentlicht: 2011-05-25T17:45:54+00:00


DRITTER TEIL

Die Verzückung

Nothing is easier than self-deceit.

For what each man wishes, that he

also believes to be true.

Nichts ist leichter als Selbsttäuschung.

Denn was der Mensch sich wünscht,

das hält er auch für wahr.

DEMOSTHENES

17

»Es wird dir wahrscheinlich wesentlich mehr wehtun als mir.« Tabitha schob sich mit ihren gefesselten Händen eine schweißnasse Strähne aus der Stirn, während sie hinter Colin den steilen Pfad hinaufwankte. »Das habe ich meinem Daddy damals auch gesagt, als er mich dafür bestrafen wollte, dass ich mich in sein Bankkonto gehackt und elektronische Überweisungen an Greenpeace vorgenommen habe. Und da hat er dann so gelacht, dass er vollkommen vergaß, mir den Hintern zu versohlen.«

Colins Miene verriet nicht die geringste Belustigung. Seit dem grauenhaften Augenblick, in dem sie ihr Geheimnis preisgegeben hatte, war sein Gesicht in regloser Entschlossenheit erstarrt.

Sie seufzte, da sie nicht wusste, wie lange sie noch ihr nervöses Geplauder aufrechterhalten könnte. Bereits über eine Stunde kletterten sie den Berg aufwärts, und bisher hatte er kein Wort gesagt. Tabitha war schon vorher Opfer seines grüblerischen Schweigens gewesen; aber dieses hier war irgendwie anders, wie ein tiefer, dunkler Strom, der sich durch eine unterirdische Höhle wand. Es hätte ihr vorkommen können, als marschiere sie allein gen Himmel, hätte sie nicht schmerzlich das straff um ihre Handgelenke gespannte Seil gespürt, dessen Ende Colin in einer seiner Fäuste hielt.

Obgleich er sie dergestalt an sich gebunden hatte, hatte er sie seit seinem harschen Urteilsspruch nicht ein einziges Mal direkt berührt. Ewan war derjenige gewesen, der sie auf Geheiß seines Herren gefesselt und Chaucey, der Colin das andere Ende des Seils in die Hand gegeben hatte. Daraufhin setzte sich Tabitha schweigend hinter ihm in Bewegung und dachte an das zwischen ihren Brüsten tanzende Amulett. Colin musste doch mittlerweile wissen, dass es magische Kräfte besaß. Trotzdem hatte er ihre Hände genau in der Höhe vor ihren Körper fesseln lassen, dass sie es mit ihren Fingern berühren könnte, hätte sie den Mut dazu.

Es wollte ihr scheinen, als verspotte der Sommernachmittag sie mit seiner Schönheit. Wildblumen schoben sich durch sämtliche Felsspalten und ergossen sich in einem bunten Wasserfall über den Berg. Eine Gruppe Kiefern ragte über ihren Köpfen auf und versprach müden Wanderern Schatten und Erholung auf dem mühseligen Weg. Eine laue Brise liebkoste ihr Gesicht. Die schottische Landschaft wirkte wie der idyllische Hintergrund eines der Märchen, die ihre Mutter ihr so häufig erzählt hatte - wie zum Beispiel Die Prinzessin und der Scheiterhaufen oder Kleines geröstetes Rotkäppchen. Angesichts der scharfen Axt, die an Colins Gürtel baumelte, hegte Tabitha irgendwie den Verdacht, dass dieses grimmige Märchen ganz bestimmt kein gutes Ende nahm.

»Du hättest mir meinen Pyjama zurückgeben sollen«, klärte sie Colins starren Rücken auf. »Die Bundesgesetze verlangen, dass solche Dinger schwer entflammbar sind.«

Beinahe hatten sie die Kuppe des Hügels erreicht. Colin blieb so stoisch und unansprechbar wie Abraham, der sich auf Befehl des Herrn zur Schlachtung seines Sohnes anschickte. Dieser Vergleich hatte wenig Tröstliches für sie.

»Hoffentlich hast du an die Wiener Würstchen gedacht. Ich habe die Marshmallows nämlich vergessen.« Als er immer noch nicht auf ihren Galgenhumor einging,



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